Kurz informiert
So manchem Spaziergänger ist es schon aufgefallen: Ein Mauerabschnitt der Zitadelle oberhalb des römischen Theaters ist eingerüstet und es wird fleißig gewerkelt. Doch was passiert hier genau? Vor zwei Wochen hat die naturverträgliche Sanierung an der Traverse vor Bastion Germanicus begonnen. Naturverträgliche Sanierung eines Denkmals bedeutet, dass dies nicht einfach so an schadhaften Stellen wieder zusammen geflickt werden darf – getreu dem Motto „Hauptsache es hält“. Bei den Bauarbeiten ist bei Bedarf sowohl eine biologische, als auch eine denkmalpflegerische Baubegleitung vor Ort anwesend, mit der die weiteren Schritte abgesprochen werden. So wird gewährleistet, dass Vorgaben des Naturschutzes und des Denkmalschutzes beachtet und umgesetzt werden. Um diese Vorgaben jedoch zu ermitteln wurden zuvor Gutachten erstellt, in denen die wichtigsten Befunde festgehalten und erläutert wurden.
Anhand dieser Vorgehensweise können wir sicherstellen, dass die Bausubstanz der Traverse erfolgreich wiederhergestellt wird und während der Maßnahmen keine Gefahr für die schützenswerte Natur rings um das Denkmal ausgeht.
Alles alte Steine – was soll man denn da schützen?!
Je älter der Stein, desto mehr Informationen kann er für uns heute übermitteln. Auf eine ganze Mauer gesehen kann das schon eine interessante Geschichte werden. Die Herausforderung dabei liegt wie so oft mal wieder im Detail. Bereits kleine Putzreste auf dem Stein erlauben dem erfahrenen Bauforscher Rückschlüsse darauf, ob vielleicht mal ein Gebäude an die zu untersuchende Mauer anschloss. Die Oberflächenbearbeitung eines Steines kann uns bei der Datierung behilflich sein, da Steinmetze im Verlauf der Jahrhunderte zur Bearbeitung verschiedene Werkzeuge verwendet haben. Um einen besonders großen bearbeiteten Stein anzuheben und im Mauerwerk zu verbauen gab es ebenfalls verschiedene Hilfsmittel, die entsprechende Spuren wie beispielsweise Löcher im Stein hinterlassen haben. Hierbei ist nicht jedes Loch einfach nur ein Loch. Lage und Form geben uns Hinweise auf die verwendeten Hilfsmittel, die sich wiederum datieren lassen. Dadurch lassen sich Rückschlüsse auf die Datierung der Mauer ziehen. Auch ist nicht jeder Stein aus natürlich gewachsenem Material. Während die Verwendung von gebrannten Ziegeln bereits seit dem alten Babylon überliefert ist, hat sich die Technik dafür im Zuge der Industrialisierung verändert. Ein solcher Ziegel ist ein Indiz dafür, dass ein Mauerwerk eher jüngeren Datums ist oder vielleicht an einzelnen Stellen ergänzt oder repariert wurde. Dies trifft besonders auf Kriegsschäden zu. Auch die Art und Weise wie ein Mauerwerk errichtet wurde und welcher Mörtel dabei zur Verwendung kam sind wichtige Hinweise für den Bauforscher, die Rückschlüsse auf die Datierung oder Umbaumaßnahmen erlauben.
Anhand dieser wenigen Beispiele wird bereits deutlich, dass es durchaus etwas Zeit beanspruchen kann wenige Meter eines alten Mauerwerkes zu untersuchen. Die Zitadelle bietet uns dabei viele interessante Einblicke in ihre Baugeschichte. Bei einer Sanierungsmaßnahme können solche Details schnell unwiederbringlich verloren gehen. Die Durchführung umfassender Untersuchungen vor Beginn der Maßnahmen ist daher besonders wichtig. In einem entsprechenden Gutachten wird dann festgehalten welche Abschnitte des Mauerwerks mit besonderer Vorsicht behandelt werden sollten oder welche Stellen man besser gar nicht anrühren darf. Mitunter werden auch Befunde freigelegt mit denen man vielleicht gar nicht gerechnet hat. Die Ergebnisse der Forschungsarbeiten können dann nach Ende der Instandsetzungsmaßnahmen für die Öffentlichkeit aufbereitet und präsentiert werden. Doch bis dahin wird noch ein wenig Zeit ins Lande gehen…
Scheppes Kraut – das wächst doch alles nach?!
Ein der Witterung ausgesetztes Mauerwerk wird in der Regel schnell von Mikroorganismen besiedelt. Während der fleißige Hobbygärtner auf dem privaten Gehweg gerne aus ästhetischen Gründen Gegenmaßnahmen ergreift, konnte sich die Flora auf dem Mauerwerk der Traverse in den letzten Jahrzehnten gemäß ihren eigenen Gesetzen frei entwickeln. Heute findet sich daher auf den Steinen ein artenreicher Flickenteppich an Moosen, Flechten und anderen Pflanzen. Unter den zahlreichen Arten befinden sich auch einige schützenswerte, die sich auf der Roten Liste befinden und vielleicht vom Aussterben bedroht sind.
Nun ist die Zitadelle durch ihre Nähe zur Stadt einer höheren Schadstoffbelastung ausgesetzt als ein Mauerwerk auf dem Land. Wir wissen aber, dass sich trotz der schwierigen Verhältnisse auch auf dem Mauerwerk der Zitadelle ein paar seltene Arten angesiedelt haben. Wenn nun zur Instandsetzung des Mauerwerkes Steine abgenommen und neu aufgemauert werden müssen, geht auch zwangsweise ein Teil der angesiedelten Biologie verloren. Ebenso wie der Bauforscher vor Ort wichtige Befunde identifiziert brauchen wir auch für die Natur einen Biologen vor Ort, der sensible Bereiche erkennt und die Dringlichkeit der Erhaltung vermittelt. So können gefährdete Arten als solche identifiziert und sensible Bereiche während der Dauer der Sanierungsmaßnahmen entsprechend geschützt werden.
Schließlich ist der Erhalt von Moosen und Flechten auch für den historischen Stein durchaus von Vorteil. Nähere Informationen dazu werden bald in einem neuen Beitrag erläutert…