Festungsforschung Mainz
Rheingauwall

Rheingauwall

Während nach dem Ende des Deutschen Bundes die Festungsanlagen der Stadt durch Preußen übernommen wurden, verlor Mainz nach dem Ende des Deutsch-Französischen Krieges 1870/71 durch die Grenzverschiebung nach Westen an militärischer Bedeutung. 

Gleichzeitig hatte die Stadt einen immensen Anstieg der Bevölkerungsdichte zu verzeichnen. Die Bevölkerung hatte sich auf die durch die Festungsanlagen eingeschränkte Kernstadt zu begrenzen. Umliegendes Land konnte, wenn überhaupt nur unter hohen Auflagen besiedelt werden. Dennoch entstand außerhalb des nördlichen Bastionengürtels der Stadt eine kleine, unbefestigte Gartensiedlung (CUSTODIS, 1979, S.28ff.). In der Regel durften in diesem Areal (Rayon) nur Fachwerkbauten errichtet werden, die im Kriegsfall ohne eine Entschädigung abgerissen werden mussten. Gleiches galt auch für private Obstplantagen. Unter diesen Umständen drängte die Stadtbevölkerung zunehmend auf eine Lockerung der Baubeschränkungen. Schließlich hatte der innerste Verteidigungsring aus vielerlei Gründen wie der Ausdehnung der Verteidigungslinien und der militärtechnischen Weiterentwicklung bereits an Bedeutung verloren. Bereits seit dem Jahr 1868 bemühten sich städtische Vertreter in Verhandlungen mit dem Festungsgouvernement um die Freigabe des Areals nördlich der Festungsbegrenzung um eine Stadterweiterung zu ermöglichen (KLÄGER, 1988, S.65 ff.). 1870/71 ruhten die Verhandlungen bedingt durch den Deutsch-Französischen Krieg; eine Einigung konnte erst 1872 erzielt werden (KLÄGER, 1988, S.92 ff.). Für die Festungsbauwerke bedeutete die Stadterweiterung eine teilweise Niederlegung: vom Hauptstein bis zum Rhein wurde der innerste barocke Bastionenkranz zugunsten einer Anbindung der  Altstadt an die Neustadt geschleift, die wiederum mit einer neuen Befestigungsanlage im „neupreußischen“ Polygonalsystem geschützt werden sollte. Diese sollte geradlinig vom Hauptstein bis hin zum Hartenberg verlaufen und von dort in Richtung Rhein. Einzelne Geschützstellungen, sog. Kavaliere sicherten die Linie an taktischen Schwerpunkten. Sie überragten den aufgeschütteten Wall, der von einem 15m breiten Graben in Richtung des Vorfeldes abgesetzt wurde. Der Hauptstein erhielt nun eine besondere, neue Bedeutung da er als Verbindungspunkt zwischen der alten und der neuen Befestigung neu ausgerichtet und umgebaut werden musste. Das barocke Fort Hauptstein war bisher in Richtung des westlichen Vorfeldes ausgerichtet und musste nun in südlicher Richtung verteidigungsfähig werden. Diese Neuorientierung lässt sich heute noch anhand des Winkels des an das Kehlreduit angebauten Kavaliers ablesen. Durch erhebliche Erdarbeiten wurde das barocke Fort überformt und es entstand eine Art Hybrid aus barocker und neupreußischer Befestigung mit Einflüssen der Bundesfestung. 

Kehlreduit und Kavalier Hauptstein im Herbst 2023. Foto Copyright: J. Brandt.

Weitere dem Rheingauwall zugehörige Bauwerke sind unter anderem der Kavalier Prinz Holstein, sowie der Kavalier Hartenberg. Beide sind derzeit leider für die Öffentlichkeit noch nicht zugänglich.

Kavalier Hartenberg im Herbst 2023. Copyright: J. Brandt.